Strafverteidigung bei europäischen Haftbefehl aus Deutschland

Der Europäische Haftbefehl

Unsere Kanzlei ist nunmehr seit über 20 Jahren im internationalen Strafrecht tätig. Mit diesem Beitrag wollen wir interessierte Leser detailliert über den europäischen Haftbefehl informieren. In der internationalen Strafverfolgung ist der europäische Haftbefehl ein wichtiges Instrument der Ermittlungsbehörden und der Vollstreckungsstellen. Er ermöglicht seit nunmehr gut 20 Jahren die grenzüberschreitende Strafverfolgung innerhalb der Europäischen Union.

1. Erlass eines europäischen Haftbefehls

Der europäische Haftbefehl wird im Rahmen eines Strafverfahrens im jeweiligen Mitgliedsstaat der Europäischen Union erlassen. In Deutschland werden europäische Haftbefehle in zwei Fällen erlassen. Ein europäischer Haftbefehl wird in Ermittlungsverfahren erlassen, in denen dem Beschuldigten mehr als 12 Monate Freiheitsstrafe drohen. Hingegen wird ein europäischer Haftbefehl im Rahmen der Vollstreckung rechtskräftiger Urteile erlassen, wenn gegenüber dem Verurteilten eine Freiheitsstrafe von mehr als vier Monaten vollstreckt werden soll. Es sollte also jedem Beschuldigten und Verurteilten klar sein, dass die Ermittlungsbehörden und Strafvollstreckungsstellen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in vielen Fällen die Möglichkeit haben, grenzüberschreitend tätig zu werden.

2. Mitteilung des europäischen Haftbefehls an andere Mitgliedstaaten

Ist der Aufenthalt des Beschuldigten oder Verurteilten bekannt, so übermittelt das Ausstellungsland den europäischen Haftbefehl an die zuständige Behörde des Aufenthalts- oder Wohnort der gesuchten Person. In den Fällen, in denen der Aufenthaltsort des Beschuldigten oder Verurteilten unbekannt ist, wird der europäische Haftbefehl durch das nationale SIRENE-Büro im SIS ausgeschrieben.

3. Verfahren bei Festnahme des Beschuldigten oder Verurteilten

Wird die gesuchte Person in einem der anderen Mitgliedstaaten festgenommen, so wird der Beschuldigte oder Verurteilte in der Folge zunächst zum Vorwurf aus dem europäischen Haftbefehl vernommen. Wichtig ist dabei die frühzeitige Beauftragung eines fachkundigen Strafverteidigers. Nur so sind die Verfahrensrechte des Beschuldigten oder Verurteilten und die vom Ausstellungsstaat zu gewährenden Garantien gewahrt. Sofern möglich, sollten insbesondere Beschuldigte eines laufenden Ermittlungsverfahrens vor der Vernehmung auch einen Strafverteidiger aus dem Ausstellungsland beauftragen. Aussagen des Beschuldigten oder Verurteilten in der Vernehmung finden Eingang in die Strafakten. Bereits hier erfolgt die Stellung wichtiger Weichen im Strafverfahren des Ausstellungsland. Dem Beschuldigten und seinem Verteidiger im Auslieferungsverfahren des ersuchten Mitgliedstaates ist schon bei der Festnahme den Beschuldigten besondere Sorgfalt anzuraten. Im optimalen Fall führt das Verfahren im Ausstellungsstaat das Auslieferungsverfahren. Vor diesem Hintergrund sollte dann auch der Strafverteidiger des Ausstellungsstaates die Leitung der Verteidigung übernehmen.

4. Verfahren bei Ablehnung der Vollstreckung des europäischen Haftbefehls

Wird die Vollstreckung vom ersuchten Mitgliedstaat abgelehnt, so wird die gesuchte Person wieder auf freien Fuß gesetzt und die Entscheidung dem Ausstellungsstaat mitgeteilt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Entscheidung nur nationale Wirkung hat. Die gesuchte Person würde insofern in einem anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage des europäischen Haftbefehls festgenommen werden.

5. Verfahren bei Vollstreckung des europäischen Haftbefehls

Die gesuchte Person kann ihrer Übergabe an den Ausstellungsstaat zustimmen. Diese Zustimmung wird sodann innerhalb von 10 Tagen an den Ausstellungsstaat mitgeteilt.

Stimmt hingegen die gesuchte Person der Übergabe an den Ausstellungsstaat nicht zu, so trifft die zuständige Behörde im ersuchten Mitgliedstaat innerhalb von 60 Tagen eine Entscheidung über die Übergabe des Beschuldigten oder Verurteilten an den Ausstellungsstaat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nur in sehr seltenen Fällen der Vollzug des EuHb für unzulässig erklärt wird. Das zuständige Gericht prüft nur die formellen Voraussetzungen und diese sind in den meisten Fällen gegeben.

Wird die Übergabe des Beschuldigten oder Verurteilten an den Ausstellungsstaat für zulässig erklärt, so übermittelt das Gericht seine Entscheidung an den Ausstellungsstaat. Die Überstellung erfolgt dann innerhalb von 10 Tagen. Die vom Beschuldigten oder Verurteilten erlittene Auslieferungshaft im ersuchten Staat rechnet der Ausstellungsstaat auf eine zu verbüßende Strafe an. Das zuständige Gericht im Ausstellungsstaat bestimmt das Verhältnis, in welchem die Auslieferungshaft auf die zu verbüßende Strafe anzurechnen ist.

Unser Aufruf an Beschuldigte und Verurteilte

Sollte Deutschland Sie mit einem europäischen Haftbefehl als Beschuldigter oder Verurteilter eines deutschen Strafverfahrens suchen, so nehmen Sie frühzeitig Kontakt mit uns auf.

Unser Aufruf an Strafverteidiger

Sollten Sie im Rahmen eines Auslieferungsverfahrens einen Beschuldigten oder Verurteilten als Strafverteidiger vertreten, so nehmen Sie frühzeitig Kontakt zu uns auf. Die Verteidigungsstrategie kann so rechtzeitig im Interesse des Mandanten abgestimmt werden. Vergessen Sie bei der Verteidigung im Auslieferungsverfahren nie, dass das Hauptverfahren im Ausstellungsland des europäischen Haftbefehls geführt wird.

Nähere Infos zum Thema erhalten Sie hier.